Prokrastination – Wie du ein Vorzeigestudent wirst, auf den deine Eltern stolz sein können

Marcella Hetzel, Linda Jakobs, Katharina Lukes, Christina Martens

Ich will ehrlich sein: Ich habe ein Problem. Wir wissen alle, dass es keinen Sinn macht, sich in irgendwelche Lügen zu flüchten und Behauptungen aufzustellen. Das Einzige, was ich damit erreiche, ist ein kurzweiliges Gefühl der Befriedigung. Darauf folgt dann jedoch schnell die Scham, die mich überkommt, wenn ich feststelle, dass ich etwas geleugnet habe, das für alle so offensichtlich ist.

Ich „prokrastiniere“, ich leide an einem akuten Fall von „Aufschieberitis“. Ich schiebe und schiebe und schiebe alles Unangenehme, bis aus meinem Motivationsproblem ein Zeitproblem wird. Ich habe mit dem frühen Vogel ungefähr so viel gemein, wie Griechenland mit Sparpolitik.

Anstatt Punkte meiner ellenlangen To-do-Liste abzuarbeiten, sehe ich mir YouTube Videos über Erste-Hilfe Maßnahmen bei Katzen an. Ich kann aber auch unglaublich produktiv sein, wenn ich aufschiebe – dann tue ich alles, was überhaupt nichts mit meinen eigentlich Aufgaben zu tun hat, wie putzen oder aufräumen. Oder ich ende weinend mit der Flasche Bier und einer Tüte Chips (“Ernährung in der Prüfungsphase” ist übrigens auch ein Thema auf diesem Blog) in meinem Bett und beklage mich darüber, dass aus mir niemals etwas werden wird und ich viel früher mit meinen Aufgaben hätte anfangen müssen.

„Früher anfangen“ – Jeder, der den Weg hier hin gefunden hat, sollte nun schmunzeln. Wir wissen alle, dass das unser heiliger Gral ist, der Schlüssel zur Selbstverwirklichung und allem Glück, dass das Leben für uns bereithält. Wir stehen uns selbst im Weg. Aber Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Also kramt all eure Einsicht und Scham zusammen, erinnert euch an die tränenüberströmten Nachtschichten durch die wir alle schon mussten, um unsere Fristen einzuhalten, und reißt euch zusammen. Wir arbeiten jetzt an uns!

Zum „an sich Arbeiten“ gehört im ersten Schritt eine gesunde Portion Selbstreflektion. Gehörst du zu diesen Menschen, die sich schon ein Belohnungsbierchen gönnen, sobald sie die klausurrelevanten Notizen aus dem Block ausgerissen und in einen Ordner geheftet haben? Schaffst du es problemlos aus acht Stunden Arbeit unter Zeitdruck 30 Minuten zu machen, aber auch aus 30 Minuten Arbeit acht Stunden? Dann habe ich zwei Neuigkeiten für dich. Zunächst einmal, herzlichen Glückwunsch: Bill Gates hätte in dir sicher Potential gesehen. Er sagte einmal, er würde immer eine faule Person wählen, um eine schwierige Aufgabe zu erledigen, denn diese Person würde immer einen einfachen Weg finden [1]. Ganz verloren bist du also nicht und wenn du damit zufrieden bist, kannst du nun hier aufhören zu lesen. Aber kommen wir zur zweiten Neuigkeit: In der allgemeinen Arbeitswelt bringt dir diese Einstellung nicht die Butter aufs Brot. Also ran an den Speck:

Ganz allgemein meint „prokrastinieren“ das Aufschieben oder Verlagern einer Aufgabe von einem früheren auf einen späteren Zeitpunkt [2]. Darin liegt erstmal keine Gewichtung, denn es gibt verschiedene Arten von Prokrastination, beruhend auf verschiedenen Persönlichkeitseigenschaften, zu erledigenden Aufgaben und kulturellen Unterschieden. Welche Aufgaben geschoben werden, hängt von dem zu erwartenden Einfluss der Tätigkeit auf die Stimmung und dem zu erwartenden Erfolg ab [2]. Soweit alles ganz logisch, wir schieben Dinge, die uns keinen Spaß machen und deren Belohnung vielleicht weit entfernt liegt, zum Beispiel dein Bachelorzeugnis. Das Aufschieben an sich löst weiteres Unbehagen aus und die Motivation leidet noch mehr [2] – Willkommen im alltäglichen Teufelskreis des typischen Studenten. Besonders anfällig für Prokrastination sind Leute mit bestimmten Charaktereigenschaften wie ein geringes Selbstvertrauen, die Angst zu versagen oder die Angst vor negativer Beurteilung durch Andere [2]. Ein anderer Grund kann auch eine tief sitzende Angst oder Depression sein. In diesem Fall kann ein Besuch bei einem Psychologen weiterhelfen. An dieser Stelle habe ich übrigens eine gute Nachricht für Dich: Zwischen dem Intelligenzmaß und der Prokrastinationstendenz konnte kein Zusammenhang festgestellt werden [2].

Du bist mit diesem Problem auch nicht alleine auf der Welt: In einer Umfrage bei US-Collegestudenten gaben 95% an gelegentlich zu prokrastinieren, 50% haben deshalb Probleme im Studium [3]. Eine Woche vor der Prüfungsphase haben wir auf dem Campus der Hochschule Rhein-Waal in Kleve 100 Studenten gefragt: „Bist du auf die anstehenden Prüfungen gut vorbereitet?“ 47 % beantworteten die Frage mit nein, 35 % mit „Geht so“. Im Fazit würde ich sagen, dass wir tief in unseren Studentenherzen doch alle gleich sind, die Freiheit und Selbstbestimmung, die WG-Partys und faulen Sonntage treiben uns in einen nie enden wollenden Kreislauf der Aufschieberei. Damit du in der nächsten Klausurenphase nicht in Zeitstress und Panik versinkst, sind hier 5 Tipps, wie du ein besserer Student wirst. 

  1.       Erstelle einen Zeitplan: Plane kleine Schritte, alles was du tust, ist schon ein Erfolg. Priorisiere was dringend und weniger dringend, wichtig und unwichtig ist. Plane für alles doppelt so viel Zeit ein, damit du genug Puffer hast. Und bitte versuche kein Multitasking, das klappt in den seltensten Fällen [6]. Wenn du deinen Plan erstellt hast, ruf deine Mutter an und erzähl  ihr von den Dingen, die du zu erledigen hast. Erstens freut sie sich, mal wieder etwas von dir zu hören und zweites wird sie dir ganz sicher auf die Nerven gehen, bis du alles erledigt hast.
  2.       Nicht abwarten: Es gibt ihn nicht, den perfekten Zeitpunkt um anzufangen. Warte nicht auf den Moment, in dem du nicht zu müde und nicht zu lustlos bist, fang sofort an, auch wenn du nur 10 Minuten arbeitest, es ist besser als nichts[6].
  3.       Ablenkungen vermeiden: Lege dein Handy weg und logge dich aus allen Social Media Plattformen aus, damit es dir nicht passiert aus Langweile in Facebook und Co. zu versinken [1].
  4.       Grenzen ziehen: Abends sollte ab einer bestimmten Zeit Schluss sein, damit du dich noch ein bisschen entspannen kannst. Auch bringt es nichts, länger als sechs oder sieben Stunden zu arbeiten, denn in der Regel ist niemand so lange leistungsfähig [6].
  5.       Sich selbst belohnen: Leg die Füße hoch, schau eine Folge deiner Lieblingsserie, gönn dir eine richtig große Pizza mit allem drauf, du hast es dir verdient, so viel wie du schon geschafft hast [6].

Es wird dich sicher freuen, wenn ich dir sage, dass auch die größten Perfektionisten und „Hausarbeiten-schon-eine-Woche-eher-Abgeber“ kein Studium ohne Stress und Zeitdruck absolvieren. Man hat immer Probleme, die einem das Leben schwer machen, sei es Nervosität oder man lädt sich einfach zu viele Aufgaben auf, die man niemals alle schaffen kann. Mit einer leichten “Scheiß-egal-Einstellung” und viel Selbstvertrauen lebt sich das Leben leichter und dann fällt es dir vor allem nicht so schwer, ausnahmsweise einmal früher anzufangen. Zum Abschluss der wichtigste Tipp von allen: Entspann dich. Du prokrastinierst – ja, und? Das ist kein Grund für schlaflose Nächte und Rumgejammer. Setz dich nicht so unter Druck und du wirst sehen, dass eigentlich noch mehr Zeit da ist, als du denkst. Aber nicht mehr genug um jetzt alles im Internet zu verschwenden, also los! Fang an! Ich bin sicher, dass du irgendetwas zu tun hast, was du schon lange vor dir her schiebst…


Referenzen:
[1] Burn Callender, R. (06.02.2015): Why being lazy and procrastinating could make you wildly successful. The Telegraph: britische Tageszeitung.  
http://www.telegraph.co.uk/finance/jobs/11387292/Why-being-lazy-and-procrastinating-could-make-you-wildly-successful.html , 28.06.2015
[2] Höcker, A., Engberding, M., Rist, F. (2013): Prokrastination – Ein Manual zur Behandlung des pathologischen Aufschiebens. Göttigen: Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
[3]  Fydrich; Prof.Dr. T. (2009): Psyhotherapeut – Arbeitsstörungen und Prokrastination. Springer Link
[4] Schalowski, S. (2010): Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen- Prokrastination im studentischen Alltag: Unterscheiden sich Bachelor/Master-Studenten in ihrem Aufschiebeverhalten von Diplom-Studenten? Eine qualitative Untersuchung unter Berücksichtigung von Theorie und Praxis. Bachelorarbeit. Grin Verlag
[5] Achtnich, L.,  Kerbusk, S. (2012): Prokrastination: “Zehn Tipps zum Anfangen“. ZEIT Campus Nr. 04/2012 http://www.zeit.de/campus/2012/04/prokrastination-tipps , 28.06.2015
[6] Mai, J. (11.02.2015): Prokrastination: 50 Tipps gegen Aufschieberitis.  http://karrierebibel.de/prokrastination/ , 28.06.2015

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